Die Range Rover Story
Stilvoll durch den Dreck: eine kleine Geschichte zum Range Rover
Selten erregte ein neues Auto so viel Aufsehen wie der 1970 vorgestellte Range Rover. Nachdem der Land Rover aus dem Nichts zum Welterfolg geworden war, gelang dieses Kunststück 22 Jahre später noch einmal. Der Range Rover - made by Land Rover - wurde binnen kürzester Zeit zum Inbegriff des luxuriösen Geländewagens und ist es auch heute noch. Mit einer Bauzeit von 24 Jahren stellt der erste Range Rover sogar die überaus beständigen Land-Rover-Serien in den Schatten - den (noch ausbaufähigen) Rekord hält die aktuelle Serie IV, die seit 14 Jahren gefertigt wird. Selbst nach der Präsentation des neuen Range Rovers am 29. September 1994 wurde der alte unter dem Beinamen Classic noch bis Februar 1996 weitergebaut.
Angefangen hat dieses Kapitel der Land Rover-Geschichte Mitte der sechziger Jahre. Die Idee für einen solchen Wagen ist freilich noch viel älter. Schon Maurice Wilks, der legendäre Land-Rover-lnitiator, hatte zu Beginn der fünfziger Jahre die Idee zu einem neuen Fahrzeug, das für den Einsatz abseits der Straße taugen, sich aber auch auf dem Asphalt anständig benehmen sollte. Es gab sogar schon einen Namen dafür: Road Rover, in schöner Anlehnung an Land Rover. Unter Federführung von Wilks und Konstrukteur Gordon Bashford entstand ein Prototyp auf Basis des Rover P 4 mit Zweilitermotor, der schnell mit dem Spitznamen „Greenhouse“ (Treibhaus) geschmückt wurde. Vorgesehen war allerdings nur Hinterradantrieb. Tatsächlich ist das Design, das sich viel zu sehr an den Land Rover anlehnte, selbst für die fünfziger Jahre zu streng und asketisch gewesen. Das Projekt starb aber nicht zuletzt deshalb, weil die Kosten für die Produktion als zu hoch eingeschätzt wurden. Ende der fünfziger Jahre gab es dann noch einen zweiten Road-Rover-Prototyp, der vom Aufbau her viel mehr einem Personenwagen ähnelte. Im Stil amerikanischer Sportkombis (nur zwei Türen, 4,16 Meter lang) hätte der Wagen, der wie die Land Rover zum großen Teil aus Aluminium gefertigt werden sollte, vielleicht Marktchancen gehabt. Doch 1958 wurde auch dieses Projekt gestoppt, man wollte sich ausschließlich auf den neuen Personenwagen Rover 2000 konzentrieren. Mitte der sechziger Jahre nahm nun Spen King den Gedanken seines Onkels Maurice Wilks wieder auf. King ist ähnlich wie Barton oder Bashford ein Urgestein in der Land-Rover-Historie und hatte sich zunächst mit Gasturbinenautos beschäftigt.
Zusammen mit Bashford entwarf er die Skizzen für einen Prototyp, der im Prinzip schon die Form des Serienmodells von 1970 vorwegnahm. Ihre Ausgangsidee war ein Geländefahrzeug, dem man Personenwagen-Komfort anerziehen wollte. Dafür hielt King die Abkehr von Blattfedern für unerlässlich, die Federung sollten Schraubenfedern und modernste Stoßdämpfertechnik übernehmen. Tatsachlich begab sich King, um einen ersten Eindruck zu erhalten, mit einem Rover 2000 ins Gelände und das Ergebnis ermutigte. In die Abstimmung von Federung und Dämpfung wurde mehr Arbeit als damals üblich gesteckt, die Hinterachse bekam sogar eine automatische Niveauregulierung von Boge, die King und Bashford auf der Frankfurter IAA 1967 in einem Mercedes (Boge Hydromat) entdeckt hatten.
Als Herz war für den Range Rover zunächst der alte Dreiliter-Sechszylindermotor aus dem Rover P5 vorgesehen und man kann sicher sein, dass der Neue mit dieser Maschine nie ein rechter Erfolg geworden wäre. Der hängt zum großen Teil an dem heute berühmten 3,5-Liter-V8-Motor, welcher aus Amerika stammte. Auch hier spielte der Zufall eine große Rolle. Wenn man das Aggregat als Bootsmotor bezeichnen würde, läge man nicht ganz falsch, denn als Rover-Managing-Direktor William Martin-Hurst während einer Geschäftsreise in die USA zum ersten Mal ein Exemplar dieser Maschine sah, wurde sie gerade für den Einsatz in einem Rennboot vorbereitet. Martin-Hurst wollte dem amerikanischen Yachtbauer Mercury eigentlich Rover-Gasturbinen verkaufen und sein Auge fiel in einer Marina eher zufällig auf den Motor, der am Tag zuvor aus einem Buick Skylark gewinscht worden war. Der wunderbare, sehr kompakte Aluminium-V8 hatte es ihm auf Anhieb angetan, schließlich war er nur ein wenig länger als ein Rover-Vierzylindermotor und auch kaum schwerer. Überrascht nahm Martin-Hurst zur Kenntnis, dass General Motors diesen Motor unlängst aus dem Programm gestrichen hatte. Danach war nur noch ein wenig Verhandlungsgeschick notwendig, bis GM - dort nahm man Rover zunächst nicht ernst, weil man nicht verstehen konnte, dass die Engländer einen abgelegten Motor kaufen wollten - grünes Licht gab und die Rechte verkaufte. So wurde aus einem „Bootsmotor“ die Maschine, die untrennbar mit dem Erfolg des Range Rover verknüpft ist. Außer im Geländewagen kam der 3,5-Liter-V8 zuvor im Rover P5, dessen Nachfolger Rover 3500 (P6) und sogar in Morgan- und TVR-Sportwagen zum Einsatz. Letztere benutzen ihn wie Land Rover und in mehrfach modifizierter Form auch heute noch.
Unterdessen war ein Prototyp des neuen Geländewagens entstanden, der schlichtweg Land Rover-100-Inch-Station-Wagon hieß, weil der Radstand nach der ersten Skizze 99,9 Inch betrug. Das Chassis war neu, die Achsen stammten vom Land Rover. Daß der Range Rover von Beginn an mit permanentem Allradantrieb ausgerüstet wurde, wird in der Literatur hier und da als Absicht verkauft. Spen King aber klärt auf: Ursprünglich war ein herkömmlicher zuschaltbarer Allradantrieb vorgesehen, doch weil die Achswelle und das Differential zu schwach waren, um die Kräfte des V8-Motors beim Zweiradantrieb auszuhalten, entschied man sich für die permanente Variante. Damit hatte Rover schon in den fünfziger Jahren experimentiert, unter anderem beim Rover T3, der ebenfalls von King und Bashford entwickelt worden war. Heute wird gerne vergessen, dass der Range Rover der erste Serienwagen war, der den permanenten Allradantrieb hoffähig machte. Ein Luxussportler mit einer ähnlichen Konfiguration war vier Jahre zuvor bei Jensen gleichfalls in England entstanden. Dort wurde die Kraft aber bewusst nicht gleichmäßig auf beide Achsen verteilt- der Jensen FF sollte schließlich auf der Straße fahren. Nur wenige Exemplare sind gebaut worden.
PROTOTYP SEPTEMBER 1967
Der permanente Allradantrieb mit sperrbarem Mitteldifferential räumt mit einigen Nachteilen des zuschaltbaren Allradantriebs auf. Zunächst muss er nicht extra eingelegt werden, er ist immer vorhanden. Aufgrund des Mitteldifferentials kommt es auch nicht zu Verspannungen im Antriebsstrang auf der Straße, weil etwaige Drehzahlunterschiede der Achsen ausgeglichen werden. Für den Geländeeinsatz sollte das Mitteldifferential sperrbar sein, damit der Kraftfluss zu der zweiten Achse erhalten bleibt, wenn eine haltlos durchdreht. Dass der permanente Allradantrieb nicht nur abseits, sondern auch auf der Straße seinen Vorteil hat, wusste King. In seinem schmucken Haus in Leamington Spa bei Birmingham erinnert er sich gerne an die sechziger Jahre. Mit heute sei das gar nicht mehr zu vergleichen; der einzelne hatte viel mehr Entscheidungsfreiheit und es gab kaum bürokratische Hemmnisse: „Im Vergleich zu heute hatten wir beim Range Rover, wie auch 1948 beim Land Rover, keine Entwicklungskosten. Wir haben einfach gemacht, was wir für richtig hielten.“
Zum Prototyp mit permanentem Allradantrieb mit sperrbarem Mitteldifferential gesellte sich selbstverständlich ein Untersetzungsgetriebe; schließlich sollte der Range Rover ja auch in schwerem Gelände gefahren werden können. Generell bringt ein Untersetzungsgetriebe mehr Kraft auf die Räder und sorgt bei Bergabfahrten für eine weitaus bessere Bremsleistung des Motors.
In einer Hinsicht war die Entstehung des Rang Rover aber schon modern. Zur gleichen Zeit machte sich nämlich in der Marketingabteilung der junge Graham Bannock Gedanken zum Geländewagenmarkt. Ihm war aufgefallen, dass in Amerika der Trend zum großen Freizeitgeländewagen immer offenkundiger wurde. Anfang der sechziger Jahre hatte der Jeep Wagoneer das Geschäft eröffnet. In seinem Bericht schlug Bannock dem Rover-Management vor, etwas ähnliches zu bauen. Nach Auskunft von Spen King war diese Analyse aber nicht den Anstoß zu seiner Arbeit.
DER ÄLTESTE PROTOTYP 100/6 WURDE GERADE ERST FÜR 12500 £ VERSTEIGERT (2/2002)
Im Juli 1967 fuhr der erste Prototyp, das Projekt nahm immer konkretere Formen an. Bannock hatte eine Umfrage angeregt, mit der man die Kaufbereitschaft ausloten wollte. Es war von einem Projekt „Oyster“ (Auster) die Rede, bei dem es um ein neues Auto ging. Wörtlich hieß es „It will offer safe, fast and relaxing travel on motorways, on the road, across fields, sands, snow or ice. It is easy to drive and handle, will tow boats or caravans, carry milk churns, be used as a camping vehicle or you can use it to go shopping or to go to the Opera.“ ( Es wird sicheres, schnelles und entspannendes Reisen auf Autobahnen bieten, auf der Straße, über Felder, im Sand, auf Schnee und Eis. Es wird einfach zu fahren und zu bedienen sein, es wird Boote und Wohnwagen ziehen, Milchkannen transportieren, als Wohnmobil, zum Einkaufen oder für die Fahrt zur Oper genutzt werden können.) Offenbar hat Bannock den in der Motorpresse immer wieder zitierten Running-Gag mit dem Geländewagen vor der Oper als erster benutzt. Die Reaktionen der Befragten waren überaus positiv, erst recht, als sie gegen Ende der Befragung erfuhren, dass das Auto ein Rover sein würde.
Nachdem der damalige technische Direktor Peter Wilks (wie King ein Neffe von Maurice und Spencer Wilks) den Prototyp gefahren und für gut befunden hatte, fiel die Entscheidung, das Auto zu bauen.
DIE VÄTER DES RANGE ROVERS: DAVID BACHE, SPEN KING UND GORDON BASHFORD (V.L.N.R.)
Das Styling blieb in seinen Grundzügen so, wie es King und Bashford entworfen hatten. Designer David Bache nahm allerdings einige entscheidende Veränderungen vor, zum Beispiel den Einzug in der Motorhaube, ein Stilmerkmal, das 1994 auch vom neuen Range Rover übernommen wurde. Auf ein erstes Modell ließ Bache „Road-Rover“ schreiben. Um den Innenraum hatte man sich bis dahin überhaupt noch keine Gedanken gemacht, das wurde Aufgabe von Tony Pool und seinem Team.
Den ursprünglichen Plan, außer dem V8-Motor noch eine billige Version mit der kleinen Land-Rover-Maschine anzubieten, ließ man fallen. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte man jedoch zwei aus heutiger Sicht entscheidende, den Verkaufserfolg aber nicht schmälernde Fehler begangen. Erstens fehlten hintere Türen, die aus Gründen der Karosseriefestigkeit weggelassen worden waren und außerdem glaubte man, ein freizeitorientiertes Fahrzeug dieser Kategorie habe sie nicht nötig. Zweitens wurde eine Automatik nicht angeboten, nur ein Vierganggetriebe „mit den längsten Schaltwegen in der Automobilgeschichte“, wie Land-Rover-Spezialist James Taylor in einem seiner vielen Bücher schrieb. Im Dezember 1968 fiel die endgültige Entscheidung für den Namen. Tony Poole hatte Land Rover „Ranger“ vorgeschlagen, daraus wurde schließlich „Range Rover“. Den Innenraum versuchte man luxuriös wirken zu lassen, er war jedoch mit seinen überall verstreuten Instrumenten zu verspielt. Zu seinen Besonderheit zählten in die Vordersitze integrierte Sicherheitsgurte. Zu dieser Lösung entschied man sich, nachdem der Griff zur B-Säule, an der die Gurte gewöhnlich festgemacht werden, als zu unbequem erachtet wurde. Im Dezember 1969 liefen die ersten drei Vorserienfahrzeuge von den neu installierten Bändern in Solihull. In der Zwischenzeit hatte Tom Barton durchgesetzt, dass jeder Range Rover mit dem Emblem „by Land Rover“ am Heck ausgeliefert werden sollte und im Juni 1970 zeigte man den neuen Hoffnungsträger schließlich der Presse.
Die überschlug sich vor Begeisterung. Die Welt musste auf diesen Wagen gewartet haben, der mit seinem V8-Motor schneller als 130 km/h lief. Die Nachfrage war so groß, dass in den ersten Jahren nicht genügend Fahrzeuge gebaut werden konnten. Dabei hatten die ersten Modelle noch nicht einmal eine Servolenkung (wohl aber Scheibenbremsen rundum) und waren aus heutiger Sicht überhaupt nicht luxuriös. Vor allem die PVC-Sitze, die schnell verschlissen, sahen scheußlich aus. Auch an elektrische Fensterheber oder andere Spielereien war nicht zu denken. Wollte man die Außenspiegel verstellen, musste ausgestiegen werden, saßen diese doch vorne an den Kanten der Motorhaube.
EINES DER PRESSEFAHRZEUGE 1970
Dennoch, es gab zum damaligen Zeitpunkt keine Konkurrenz und das Echo auf den Wagen war überall positiv. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb im November 1972 von einem Auto, „dem Schnellstraßen so lieb sind wie Knüppeldämme und Schotterhalden“. Kritisiert wurde nur der gesalzene Preis, der hohe Einstieg und natürlich das Fehlen zweier weiterer Türen.
1972 kostete ein Range Rover 23.550 Mark, begonnen hatte man in England 1970 mit 1.999 Pfund. Zum Vergleich: Ein Mercedes Benz 200 (der sogenannte Strich-Achter) war im Herbst 1972 für 13.930 Mark zu bekommen. Diese Preisrelation stimmt auch heute noch ungefähr. Außerdem bemängelte der F.A.Z.-Tester - es war der damalige England-Korrespondent Kurt B. Hopfinger hohe Pedalkräfte und klagte über das dünne Rover-Servicenetz. Sonst gab es nur Lob, besonders für die Fahrleistungen und -eigenschaften. Es müsse an der Abstimmung der einzelnen Teile liegen, sonst sei ja alles sehr konventionell, „sogar Starrachse vorne“. Der Testverbrauch von 16,5 Liter Normalbenzin auf 100 Kilometer wurde ein Jahr vor der Ölkrise noch als selbstverständlich erachtet.
Viel Publicity und Reputation für das noch junge Auto brachte die Darien-Gap-Expedition. Zwei Range Rover waren die ersten Fahrzeuge der Welt, die an einem Stück von Alaska in Nordamerika bis nach Feuerland in Südamerika fuhren. Das Besondere an dieser Tour war die Bezwingung der Darien-Lücke, jenem 400 Kilometer langen Sumpfgebiet zwischen Panama und Kolumbien. Die berühmte Straße Panamericana war damals noch an dieser Stelle unterbrochen. 99 Tage dauerte die Durchquerung dieser Gegend. Ganz ohne aus England eingeflogene technische Hilfe und einem kleinen Team mitsamt Ersatzteilen - die Differentiale waren zunächst den Kräften durch die übergroßen Sumpfspezialreifen nicht gewachsen - wäre es aber nicht gegangen. Ironie des Schicksals: Die Passage wurde außerdem noch von einem in Panama gekauften Gebraucht-Landy mitbezwungen. Für die Durchquerung Amerikas wurde insgesamt ein gutes halbes Jahr benötigt: Vom 3. Dezember 1971 bis zum 10. Juni 1972 war die „Britische Trans-Amerika-Expedition“ unterwegs. Doch sind die beiden Range Rover und der 88er Landy nicht die ersten Fahrzeuge, die die Darien-Lücke bezwungen haben. Mit Jeeps war das auch schon gelungen, und zwei verrückte Engländer hatten es 1960 in 134 Tagen ohne Hilfe von Außen geschafft- natürlich in einem Land Rover 88.
Dass der Range Rover seiner Zeit so weit voraus war, hat ihm wahrscheinlich auch die Existenz gerettet, denn seine Einführung fiel mit der großen Krise bei British Leyland zusammen. Geld für Verbesserungen war kaum vorhanden, deshalb musste der Wagen lange so bleiben, wie er war. Auch konnten die Produktionskapazitäten nicht ausgebaut werden.
1973 war auch die Produktion des alten Forward Control Land Rover beendet worden. Seine Nachfolge trat der 101 Land Rover an, der auf dem Chassis des Range Rover basierte und auch dessen V8-Motor und permanenten Allradantrieb erhalten hatte, 1972 wurde er zum ersten Mal gezeigt und drei Jahre später in Serie gebaut, dieses Mal allerdings ausschließlich fürs Militär. Schon 1978 wurde die Produktion eingestellt, damit endete die Ära der FC-Land-Rover. Auch der 101 ist inzwischen oft in privaten Händen zu finden. Im Gelände ist er beinahe unschlagbar, erst recht mit dem angetriebenen Anhänger von Rubery-Owen. Dieses 6x6-Gespann hält so schnell nichts auf. Der beste Beweis dafür war die Durchquerung der Sahara von Dakar nach Suez mit zwei derartigen Sechsradfahrzeugen Mitte der siebziger Jahre. Wie die Darien-Gap-Tour war sie vom britischen Militär initiiert worden. Die 101-Land-Rover benötigten für die rund 12.000 Kilometer 100 Tage.
Zurück zum Range Rover. Im Januar 1973 gab es endlich eine Servolenkung und Heckscheibenwischer, dazu reagierte man mit einem Overdrive auf die Ölkrise, sonst aber beschränkte sich Rover auf kosmetische Retuschen, die Außenspiegel rückten im Herbst 1977 an die A-Säule. Gut zehn Jahre tat sich nichts nennenswertes; verkauft wurde der Range Rover trotzdem - mit steigenden Stückzahlen. Heute wäre das undenkbar. Mit dem Geld der Regierung begann sich dann Anfang der achtziger Jahre einiges zu bewegen. Die Produktionsstätten konnten modernisiert werden; 1981, nach elf Jahren, bekam der Range Rover zwei weitere Türen und als Viertürer elektrische Fensterheber. Etwa zeitgleich hatte sich das schweizer Unternehmen Monteverdi mit einer viertürigen Version versucht, von der ca. 50 Stück gebaut wurden.
Jetzt ging es Schlag auf Schlag: 1982 war endlich ein Automatikgetriebe lieferbar und in diesem Jahr feierte Land Rover seinen 100.000 Range. Eine Dreigangautomatik von Chrysler ersparte den Käufern zunächst das manuelle Schalten, 1985 bekam ZF aus Friedrichshafen mit einer Viergangautomatik den Zuschlag; erst 1983 wurde serienmäßig ein Fünfganggetriebe eingebaut. 1984 setzte mit dem Ausstattungspaket „Vogue“ die Entwicklung zum wahren Luxusliner ab Werk ein, aber die Zahl der serienmäßigen oder optionalen Komfortdetails erhöhte sich auch in den einfacheren Modellen ständig - ebenso die Verkaufszahlen.
IN VOGUE 1983 (1000 STÜCK SIND DAVON PRODUZIERT WORDEN)
1987, als zum ersten Mal mehr Range als Land Rover verkauft wurden, steigerte man die Leistung des V8-Motors auf 165 PS. 1986, nach 16 Jahren Bauzeit, war ein zweiter Motor ins Programm aufgenommen worden, eine Dieselmaschine. Selbstzünder waren inzwischen so salonfähig, dass man sie sich auch in einem Range Rover vorstellen konnte. Außerdem brachte dies Steuervorteile auf den südeuropäischen Märkten mit sich. Benutzt wurde wiederum kein Aggregat aus dem eigenen Haus, sondern ein Motor des italienischen Unternehmens VM. 112 PS aus 2,4 Liter Hubraum und ein maximales Drehmoment von 183 Nm versprachen noch gerade akzeptable Fahrleistungen (knapp 150 km/h Höchstgeschwindigkeit) bei deutlich reduziertem Verbrauch. Schnell erreichte der Dieselanteil 40 Prozent der Verkäufe. Heute sind es 25, in Deutschland sogar 40 Prozent. Kurz bevor der Range Rover 20 Jahre alt wurde, erhöhte man den Hubraum des guten alten „Bootsmotors“ auf 3,9 Liter (188 PS). 1992 wurde der Selbstzünder-Range wieder ein Stück britischer, dank des hauseigenen Direkteinspritzers aus dem Discovery. Kurz vor dem Ende seiner Laufbahn setzte der Range Rover dann noch mal zu Höchstleistungen an. 1989 erreichte er die Produktionszahl von 28.513 Einheiten. Gebrochen wurde dieser Rekord erst 1995 vom neuen Range Rover (29.619). Die Konkurrenz hatte aber nicht geschlafen. Längst war ein außergewöhnlicher Geländewagen wie der Range von Motorisierung und Ausstattung her nicht mehr einzigartig. Doch die Ingenieure aus Solihull konterten: Luftfederung im Oktober 1992, dazu elektronische Traktionskontrolle. In verbesserter Form und generell serienmäßig wurde diese Technik schließlich in den neuen Range Rover übernommen.
Zum heute genutzten und EAS genannten System (Electronic Air Suspension) gehören als wichtigste Komponenten vier Luftfederelemente, vier Höhensensoren, ein Kompressor, ein Zehn-Liter-Luftspeicher und eine Kontrolleinheit. Der Range Rover kann auf fünf verschiedene Höhen gehievt werden. Drei davon kann der Fahrer manuell vorgeben: den Standardmodus, eine Stellung für Geländebetrieb (vier Zentimeter höher) und eine für bequemeres Ein- und Aussteigen (sechs Zentimeter tiefer). Außerdem senkt sich die Karosserie automatisch um zwei Zentimeter, falls für mehr als 30 Sekunden schneller als 80 km/h gefahren wird. Letztlich ermöglicht die Luftfederung eine automatische Anhebung des Chassis um drei Zentimeter nach einer Bodenberührung. Zudem ersetzt das gesamte System auch eine Niveauregulierung.
DAS LUXUSSCHIFF LSE 1992-94
1992 gab es neben einer Verlängerung des Radstandes auch noch eine Hubraum- und Leistungssteigerung beim Motor: 4,2 Liter und 202 PS (Drehmoment 340 Nm bei 3250 U/min) lauteten nun die Eckdaten. In einer verlängerten Version war der Range Rover 4,65 Meter lang. Die knapp 20 Zentimeter, um die er gewachsen war, fanden sich im Radstand wieder (2,74 statt 2,54 Meter) und kamen ausschließlich dem Fond zugute. Dort saß es sich jetzt wahrhaft fürstlich. Selbstverständlich waren inzwischen alle Nettigkeiten wie Schiebedach, Klimaanlage, Airbags, ABS entweder in den Vogue-Modellen serienmäßig oder sie wurden als Option angeboten. Einige Monate bevor die Serie II vorgestellt wurde, ließ man den Zweitürer sterben. Das letzte Exemplar lieferte Solihull im Januar 1994 nach Portugal.
DIE ZWEITE GENERATION-(ODER DER UNGELIEBTE NACHFOLGER)
Sieben Monate später wurde die Serie II der Weltpresse in England präsentiert. Selten waren die Fachjournalisten so gespannt auf ein neues Auto, wie auf dieses. War es den Designern gelungen, sich mit dem neuen Range Rover nicht zu sehr vom Vorgänger zu entfernen, wie sie es beim Land Rover bisher immer geschafft hatten? Nein. Die offizielle Darstellung von Rover hörte sich zwar anders an: Man habe die klassische Linie weiterentwickelt, der neue Range Rover sei sofort als solcher zu erkennen, hieß es im Pressetext zur Präsentation. Acht Stilelemente wurden aufgezählt, die man beibehalten habe, für Otto Normalbetrachter reduzierte sich das jedoch auf den Einzug in der Motorhaube und die nach wie vor horizontal zweigeteilte Heckklappe (Fenster nach oben, Klappe nach unten). Besonders von deutschen Journalisten wird diese Lösung gern kritisiert, weil sie das Beladen mitunter erschwere. Die Engländer schwören jedoch noch immer darauf, da sich die Klappe hervorragend als Picknicktisch nutzen lässt. Recht haben sie, außerdem kann Überlanges vorzüglich und einfach durch Öffnen der Scheibe transportiert werden.
Range-Rover-Enthusiasten waren zunächst vom Erscheinungsbild des Neuen geschockt - den alten gab es nicht von ungefähr noch zu kaufen -, doch nach drei Jahren Produktionszeit haben sich gewiss die meisten an den Neuen gewöhnt, der sich nach wie vor von allen anderen Geländewagen absetzt. Technisch handelte es sich um ein komplett neues Auto, in das Land Rover - Chefkonstrukteur war John Hall - 750 Millionen Pfund investierte. Auch das Chassis war eine Neukonstruktion; sein aus Stahl geschweißter Leiterkastenrahmen ist stabiler als zuvor und reagiert zudem besser auf Kollisionen. Die Starrachsen - ein Muss für jeden richtigen Geländewagen - sind leichter und gleichzeitig robuster. Die Luftfederung wurde weiterverbessert, neu ist die Möglichkeit, dass man in der Einsteigeposition (bis 30 km/h) fahren kann, falls diese damit gewonnenen 6,5 Zentimeter für eine sehr niedrige Garage notwendig sein sollten. Der neue Range Rover ist mit 1,85 Meter um drei Zentimeter höher als der alte, in der Länge wuchs er im Vergleich mit der verlängerten Version bei gleichem Radstand um sechs Zentimeter auf 4,7l Meter. Wie bei allen je von Land Rover gebauten Autos wird die Karosserie der Serie II zu großen Teilen aus Aluminium gefertigt. So sind die vorderen Kotflügel, die Außenseiten der Türen und der untere Teil der Heckklappe aus Leichtmetall. Wie zu erwarten, setzte Land Rover bei der Motorisierung des neuen Modells wieder Maßstäbe. Aus dem guten alten 3,5-Liter-V8-Motor machte man ein mit allen modernen elektronischen Raffinessen versehenen 4,6Liter-V8, dessen 224 PS eine Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h ermöglichen. Daneben wird ein - ebenfalls neu entwickelter Vierliter-V8 bereit gehalten, der 190 PS leistet. Bezeichnenderweise ist dieser Motor in Deutschland kaum gefragt. Wenn schon, denn schon, heißt offenbar die Devise. Auf die 20.000 Mark Preisunterschied scheint es nicht anzukommen. 115.100 Mark kostet im Sommer 1997 das Topmodell, bei dem kaum Wünsche offen bleiben. Das Vierlitermodell für 96.450 Mark ist bescheidener ausgestattet: Ihm fehlen Traktionskontrolle, Automatik, das elektrische Schiebedach und die elektrische Sitzverstellung; außerdem hat er kleinere Reifen (235er statt 255er). Interessant ist die dritte Motorvariante, ein Turbodiesel von BMW. Er wird zum gleichen Preis wie der 4.0 angeboten, auf Wunsch gibt es eine weiter abgespeckte Version (keine Klimaanlage, andere Räder, kein Tempomat, keine Räder, kein Tempomat, keine Lederausstattung) für 87.350 Mark. Die Verwendung des Motors war schon vor der Rover-Übernahme durch BMW vereinbart worden. Das aus der 5er- und 7er-Reihe bekannte Triebwerk leistet 136 PS. Mit dem Selbstzünder ist der Range natürlich deutlich sparsamer, man kann mit einem Verbrauch von knapp zehn Liter auf l00 Kilometer rechnen und spart so grob gerechnet die Hälfte an Kraftstoff - im Vergleich mit dem großen V8-Motor.
Der neue Range ist gefragt wie eh und je. Das Topmodell bedient vor allem jenen gut situierten Kundenkreis, der den Range Rover schon immer zu schätzen wusste. Ihn umgibt eine schwer zu beschreibende Aura des eher tolerierten Luxus nach Gutsherrenart - im Gegensatz zu einer protzigen Limousine. Wie Kundebefragungen ergaben, sind Range-Fahrer eher künstlerische Typen und sie verzeihen ihrem Liebling gerne auch manche Schwäche. Wie man immer wieder zu hören bekommt, ist dieses auch recht oft nötig. Der Range Rover ist, nebenbei bemerkt, das einzige Auto, das jemals im Louvre ausgestellt wurde. Mag man Gerüchten glauben, gehört zu den Zukunftsplänen die Verwendung eines V12-Motors von BMW. In diesem Fall wäre der nobelste aller Land Rover mit seiner Motorisierung wieder weit von der Konkurrenz entfernt, so weit, wie er es schon 1970 gewesen ist.
Dieser Text mit freundlicher Genehmigung von Henrik Silberstein.
www.rangeroverenthusiast.ch
Quelle: Land Rover 1948 - 1998, Die ersten 50 Jahre,
M. Pfannmüller & B. Schmidt, autovision 1997, S. 86 - 99